Wie mir ein Yoga-Retreat die Tür in eine neue Welt öffnete
Richtig heiss
Gleich vorweg: Ich mag es kühl! Die Temperaturen im hohen Norden der skandinavischen Länden gefallen mir sehr gut. Wenn es zu warm ist, habe ich gerne einen See in der Nähe, oder das Meer… oder aber die Möglichkeit, kalt zu duschen. Von diesen drei Optionen standen mir auf dieser Reise keine zur Verfügung.
Das Fotoprojekt, für welches ich von Vivi engagiert wurde, öffnete mir Tür und Tor zu einer für mich völlig neuen Welt: der Sahara, mitten in der Wüste Marokkos! Gleichzeitig brachte es mich in zweierlei Hinsicht an den Rand meiner Komfortzone. Aber dazu später.
Die Crew
Solche Erlebnisse schweissen zusammen. Die Crew am zweitletzten Tag auf den Dünen von Erg Chigaga, Sahara.
V.l.n.r.: Fotograf, Reni, Ronja, Meli, Vivi, Mbark, Laura, Nadja, Chris, Oli.
Danke für die tolle Woche mit euch!
Die Sprachnachricht
Angefangen hatte alles mit einem lässigen Austausch auf WhatsApp. Es ging um die Reiseplanung eines Yoga-Retreats in der Sahara und über Projekte und Träume, welche man verwirklichen und nicht aufschieben soll. “Einfach machen!“ Das ist immer so viel einfacher gesagt als getan. Und dann kam, Wochen später, diese eine ausschlaggebende Sprachnachricht von Vivi, Freundin, Model, Tänzerin, Yogini.. Vivi stand schon mehrfach vor meiner Kamera und hat mich bei diversen Projekten mit ihrem Können unterstützt. Sie sprach: “Komm doch mit? Yoga tut dir sicher auch gut!” Da ich die Nachricht laut abspielte, hörte mein Frau mit. Konsequenz: Sie hat mich wortwörtlich in die Wüste geschickt! Eine Stunde nach dieser Sprachnachricht und zwei grosszügig gefüllten Gläsern Rotwein (was für mich schon ausserordentlich viel ist), waren die Flüge nach Marrakesch gebucht.
Der Auftrag
Der Auftrag war simpel: Bildmaterial für Vita Vibes erstellen. Bildmaterial, welches Vivi für ihre künftigen Yoga Retreats in der Sahara verwenden kann. Für mich als Fotograf ein Traumjob! Reisen, fotografieren, Neues entdecken. Die perfekte Kombination! Hatte ich schon erwähnt, dass ich es lieber kühl mag?
Bei der Ankunft in Marrakesch rutschte mir schon das erste “oh fuck ist das hiess hier” raus. Pulli und Jeans sind für solche Temperaturen ehrlich gesagt auch nicht das beste Outfit. Dazu kam noch, dass mein Kamera-Rucksack jegliche Handgepäck-Gewicht-Obergrenze deutlich überschritten hatte und mich zusätzlich zur Hitze erdrückte. Denn für dieses Projekt war mir bewusst: Ein Objektiv-Wechsel in der Wüste könnte eine starke Verschmutzung des Sensors verursachen. Also nahm ich so ziemlich alles an Equipment mit, so dass ich bloss nie ein Objektiv wechseln musste. Und das hat sich als richtig erwiesen.
Mein Equipment auf dieser Reise:
Nikon Z9 mit Nikkor 70-200 2.8
Nikon Z8 mit Nikkor 24-70 2.8
Leica M11 mit Summichron 35mm 2.0
Apple Macbook Pro 16”
Peak Design Travel Stativ (Carbon)
Zwei Akkus pro Kamera
Speicherkarten
Von Marrakesch in 9 Stunden übers Atlasgebirge nach Mhamid
Es war eine sehr lange Busfahrt – wirklich. Doch es war auch ein idealer Start, um die Crew und die Teilnehmer besser kennen zu lernen. Die kurze Vorstellungsrunde noch vor dem Frühstück gab zumindest jedem einen kleinen Einblick, wer wer ist und warum man sich für dieses Desert Yoga Retreat angemeldet hatte. Ich fiel da eher in die Kategorie «Family, Friends & Fools» – oder einfach der Fotograf, dem Yoga zwar ausgesprochen gut tun würde, der aber aus Sicherheitsgründen lieber den Finger am Auslöser behält. Die Sorge, dass ich nach Verrenkungen und Bandscheibenvorfällen vom Halswirbel bis zum Steissbein nicht mehr aufrecht gehen könnte, ist einfach zu gross.
Nach diversen kleineren Pausen und einem ausgiebigen Mittagessen, sind wir am Abend noch vor Sonnenuntergang in der kleinen Wüstenstadt Mhamid angekommen. Mhamid befindet sich im Süden von Marokko, nahe der Grenze zu Algerien und liegt ganz offiziell schon in der Sahara. Dort wurden wir von Mbark und seinem Kumpel Sayed in Empfang genommen. Die Rucksäcke und Taschen wurden auf die Ladefläche des Pickups geworfen und Vivi, Ronja und Laura, stiegen auch gleich hinten drauf. Crazy girls, crazy Stimmung - eine Stimmung, die sich die ganze Woche hindurch zog…. Crazyness bindet - und das ist grossartig! Während der Fahrt entstanden schon die ersten Fotos - nach vorne und in den Seitenspiegel.
Bivouac Mbark - das Camp
Die holprige Fahrt auf Sand und Erde dauerte ca. 20 Minuten, doch dann erreichten wir das Camp “Bivouac Mbark”, unser “zuhause” für die kommende Woche. Die Hütten sind dunkel bemalt, was mir bei diesen Temperaturen direkt die Frage aufkommen liess: “weshalb sind die nicht hell?” Man erklärte mir, dass es dabei nicht um die Sommermonate geht - da schläft man vorwiegend unter freiem Nachthimmel. Es geht um die Wintermonate, in welchen die Temperaturen nachts drastisch sinken können. Sind die Hütten also dunkel und werden dadurch tagsüber stark erwärmt, so dass man nachts drinnen bloss eine Decke braucht.
In der Mitte des Camps liegen Sitzpolster, Matten und Teppiche - links daneben die Feuerstelle mit kleinen Hockern. Dahinter im weissen Häuschen befinden sich Toiletten und die Dusche und rechts die traditionellen Hütten, wo die Crew von Mbark unsere Betten bereits schon vor der Tür aufgestellt hatte. In den Hütten hätte man kaum richtig schlafen können.
Mbark - unser Host für eine Woche
Mbark (Mubarak) ist ein ausserordentlich guter Gastgeber. Sein traditionell, authentisches Berber-Camp führt er mit grosser Hingabe und erfüllt seinen Gästen so ziemlich jeden Wunsch. Abends trommelt er mit seiner Crew wie wild am Lagerfeuer und singt dazu Berber-Lieder.
Überall Sand
Man musste sich gleich zu Beginn weg darauf einstellen: Bei so viel Sand geht man entweder barfuss oder in Sandalen oder Birkenstocks (wenn’s dann tagsüber zu heiss wird). Aber Schuhe braucht man hier definitiv nicht.
Der kleine Prinz
“It's much harder to condemn yourself than to judge others.”
Dem ist nichts hinzuzufügen. Ein Spruch an einer der Hütten.
Die Umgebung
Bevor das Abendessen serviert wurde, erfolgte die Zimmereinteilung - wobei, da alle draussen schliefen, ging es vor allem darum, wer seine Sachen in welcher Hütte deponierte. Ich nutzte diese Zeit für den ersten kleinen Rundgang auf den umliegenden Dünen, um mir einen Überblick zu verschaffen.
Für einen Moment wechselten die Farbe des Sands aufgrund der tiefen Lage der Sonne. Die Muster im Sand auf diesen Dünen fand ich faszinierend.
So still es auch ist - man ist nie alleine… wie die Spuren eines Käfers im Sand verraten.
Where The Magic Happens
Das weisse Zelt wurde von Mbark für die bevorstehenden Yoga- und Meditationssessions aufgestellt. Es bot genügend Platz für alle, war ausgestattet mit gemütlichen Matten und Kissen und sorgte für den nötigen Schatten. Tagsüber diente es auch als ruhiges Plätzchen, um einfach zu sein, zu lesen, zu schlafen oder sich der geheimnisvollen Wüstenstille voll und ganz hinzugeben - und das gelegentlich begleitet von einer leichten Brise Wind, die durch das Zelt wehte.
Meditation & Yoga - los geht’s!
Das morgendliche Aufstehen war schon ein Ritual für sich. Geweckt wurden wir alle durch die sanften Klänge einer Klangschale. Hätte ich vor dem Yoga Retreat gewusst, dass ich so geweckt würde, hätte ich wohl die Augen verdreht und es als “Eso-Zeugs” abgetan. Doch ich muss zugeben, meinen Weckers zuhause, von welchem ich jeden Morgen aus dem Schlaf gerissen werde, könnte ich ja oftmals an die Wand klatschen. Diese Klangschale aber verlieh dem Aufstehen eine ganz andere Note. Dennoch konnte ich mich nicht schwebend vom Bett ins Yoga-Zelt beamen, aber es fühlte sich zumindest ansatzweise so an. So lernte ich schon am ersten Tag in der Wüste, wie man seinen Tag auch sanft beginnen könnte.
Aufwachen um 6:15 Uhr. Die erste Session für die Teilnehmer begann täglich um 06:30 Uhr - noch vor dem Frühstück.
Om & Klick anstatt knick
Im Yoga-Zelt suchten sich alle ihr Plätzchen. Ich blieb gerne am Rand. Mit dabei auch eine Kamera und die Erlaubnis von Vivi, mich jederzeit leise zu entfernen, um Fotos zu machen - von ihnen und von der Umgebung. Schliesslich bin ich ja dafür gekommen. Zudem habe ich die letzten Jahre wohl zu viele Velo-Kilometer auf dem Rennvelo zurückgelegt und - wie Pferde auch - nie richtig gedehnt. Somit lies ich es mit den Yoga Sessions langsam angehen.
Silence Day - 24h Ruhe… vielleicht
Als ich an einem dieser traumhaften Abende von einer kleinen Runde auf den Dünen ins Camp zurück kehrte, kam mir Oli entgegen und sagte: “Disi, die haben jetzt mit dem Silence Day begonnen”… sorry was? Es ist doch Abend? “Ja schon, aber sie starten jetzt für 24 Stunden”. Oha! 24 Stunden nicht sprechen? Ich schnorrte mir gleich eine Zigi von Oli und wir beide, nicht mehr in Hördistanz von den Schweigenden, genossen sie am Rande des Camps.
Der nächste Morgen startet wie üblich: Klangschale, ins Zelt schweben, meditieren, Yoga. Doch heute ging es im Anschluss nicht zum Frühstück, sondern stillschweigend die nahegelegenen Dünen hoch. Für mich der Moment, nicht mitzugehen, sondern aus der Ferne das Geschen zu beobachten und zu fotografieren.
Während sie hochliefen, war ich ziemlich weit weg. Ich wollte einerseits nicht stören und andererseits entdeckte ich immer wieder tolle Muster und Formen, Kunst aus Licht und Schatten im goldschimmernden Wüstensand.
Zeit fürs Frühstück! Diesmal alles schweigend. Doch es dauerte nicht lange, bis mir Oli den Wink gab, mit unserem Berber Mbark in die Stadt zu fahren, um einzukaufen. Der Tag versprach sehr lange zu werden, vor allem wenn man nicht spricht. Während die anderen sich mit Journaling und sich selbst beschäftigten, packte ich meine Kamera und stieg zu Mbark ins Auto.
Mhamid
Mbark besorgte Wasser, kaufte Früchte und Gemüse und liess mich ab und zu auch mal alleine in einer doch eher wenig belebten Stadt meine Fotos machen. Es hat viele Schilder mit Richtungsangaben - ist irgendwie schwierig sich vorzustellen, dass es wirklich so viel Zeugs und Attraktionen in der Nähe gibt. Vielleicht liegen die einfach hinter der nächsten Düne?
In Mhamid (wie auch sonst in Marokko) spricht man französisch - zumindest die Alten tun dies. Bei der jungen Generation ist es ähnlich wie bei uns: Englisch ist eher zur Prio 1 im Umgang mit Touristen geworden. Was ich auch relativ schnell bemerkt habe: Touristen mit umgehängter Fotokamera mag man offensichtlich nicht so. Daher nur eine kleine Auswahl an Schnappschüssen von Mhamid.
Der Silence Day war schon beinahe beendet, doch Mbark kam noch auf die Idee, alle im ziemlich heissem Sand zu begraben. Ein Wüsten-Spa sozusagen. Laura rannte anschliessend voller Freude (nicht mehr ganz so silent) auf die Düne und war wohl einfach ganz happy mit sich und Welt.
Das Schweigen brechen
Und mit diesem Sunset endete der Silent Day dann definitiv.
Erg Chigaga - das letzte grosse Highlight
Am nächsten Tag ging es für unsere letzten beiden Tage nach Erg Chigaga zu den richtig grossen Dünen. Wir packten nur das Nötigste ein, denn auch im neuen Camp würden wir unter freiem Himmel schlafen. Unterwegs in zwei Autos fuhren wir einen Tag lang mit vielen kleinen und auch mal grösseren Pausen durch die Wüste.
Zeit für ein Gruppenfoto
Inzwischen eine ziemlich fest zusammengeschweisste Crew!
Natürlich durfte Abkühlung und Verpflegung nicht fehlen.
Am Abend, noch vor Sonnenuntergang, erreichten wir unser neues Camp in Erg Chigaga. Auf uns warteten auch schon Dromedare, die uns auf einen 20 minütigen Ritt auf die Dünen trugen.
Sonnenuntergang von der höchsten Düne bei Erg Chigaga - rundherum ein Meer aus Sand!
Das Fotoshooting um 06:30 Uhr
Am nächsten Tag ging ich morgens um 06:15 Uhr los auf die Dünen, um mir die besten Spots auszusuchen. Vivi und Ronja kamen kurz darauf nach, denn es ging darum, auf und mit dieser gigantischen Kulisse unvergessliche Erinnerungen zu schaffen. Wir hatten nur 30 Minuten Zeit. Einerseits konnten wir das wechselhafte Wetter nicht richtig abschätzen und andererseits gab kurz nach 7 Uhr schon Frühstück und um 8 Uhr sollten wir bereits wieder auf dem Weg zurück ins Camp von Mbark sein. Also los!
Und manchmal klappt’s dann doch nicht so wie man gerne hätte….
Und wieder zurück
Wir sassen also wieder im Auto und klopften zu lauter Berber- und Tuareg Musik rhythmisch auf das Armaturenbrett. Dass die beiden Driver sicher immer wieder ein kleines Rennen leisteten, war total cool. Noch cooler war aber, dass einer der Cousins bei Mbark hinten auf der Ladefläche drauf stand - und das für ganze zwei Stunden!
Weniger später kamen wir an einem Berber vorbei, der scheinbar mit seinem Motorrad in Schwierigkeiten geraten war und Hilfe brauchte. Es stellte sich heraus, dass es unser Guide des gestrigen Abends war - er wollte sich lediglich ein paar Zigaretten von Oli ergattern. Ein sehr amüsanter Moment zum Abschluss in der Wüste. Nicht alles, was nach einem Problem aussieht, muss auch effektiv eines sein.
Die Sache mit der Komfortzone
Also die Hitze ist eine Sache. Und die Hitze bringt mich insofern aus der Komfortzone, weil ich nicht gerne vor lauter Hitze tatenlos herumsitzen möchte - und das war hier wohl die einzige Option… zumindest tagsüber.
Ausser Gefecht
Rumliegen weil zu heiss… tote Fliegen gibt es nicht, die sind im Gegenteil sehr aktiv, aber mir war es tagsüber schlicht zu warm.
Was mich aber wirklich aus der Komfortzone brachte, war die Tatsache, dass ich auf dieser Reise wohl zum ersten Mal nicht im Lead war. Als Fotograf bin ich es gewohnt, bei Shootings den Lead zu haben: Wünsche und Vorstellungen werden geäussert, doch meistens muss ich schnell und im Moment entscheiden, wie sie sich umsetzen lassen.
Hier musste ich mich voll und ganz zurücklehnen und den Lead anderen überlassen. Ich musste nichts und dufte nur. Ich machte Fotos und kam an den Tisch, wann es zu essen gab. Alles andere geschah spontan. Ich musste effektiv lernen anderen zu vertrauen - konkret Vivi. Damit will ich nicht sagen, dass ich ihr nicht vertraut hätte, doch ich bin es (gerade auf Reisen) derart gewohnt, im Lead zu sein, dass dieser Umstand für mich gänzlich neu war. Und im Nachhinein muss ich sagen, es war eine wunderbare Erfahrung!
Den Lead abgeben…
…so wie hier dem Dromedar.
Danke Vivi
Danke Vivi, dass ich als Fotograf die Erstdurchführung deines Yoga Retreats in der Sahara dokumentieren konnte und meine Komfortzone um ein paar Grad erweitern durfte.
Wer sich für dieses Yoga Retreat in der Sahara mit Vivi interessiert, findet auf der Seite von Vita Vibes weitere Informationen und die Möglichkeit, sich direkt anzumelden. Das nächste Retreat findet bereits im Oktober 2025 statt! Ob ich wieder mitgehe? Mal schauen, auszuschliessen ist es nicht 😎